75 Jahre Grundgesetz

Vor 75 Jahren, am 23. Mai 1949, wurde das Grundgesetz verkündet und trat am nächsten Tag in Kraft, womit die Bundesrepublik Deutschland begründet wurde. Siehe ’70 Jahre Grundgesetz‘, wo ich vor allem die Übertragung wesentlicher Verfassungskompetenzen an die EU beklagte. Zwischenzeitlich hat sich ein weiteres großes Problem verschärft, als insbesondere in einer Überreaktion auf die Corona-Pandemie wesentliche Grundrechte massiv eingeschränkt oder ganz aufgehoben wurden.

Wenn es darauf ankommt, werden wir Bürger leider nicht vom Grundgesetz, von unabhängigen Gerichten oder Medien vor übergriffigen Politikern geschützt, sondern werden die individuelle Freiheit, der Wohlstand und auch die Demokratie in Deutschland zunehmend beschnitten. Trotzdem bzw. gerade deswegen ist das Grundgesetz besser, als es eine neue deutsche Verfassung aktuell sein könnte. Auch die meisten Grundgesetzänderungen der Vergangenheit haben das Grundgesetz nicht wirklich besser gemacht.

42 Gedanken zu „75 Jahre Grundgesetz

  1. Eine Verfassung ist nur dann etwas wert, wenn sie von den Staatsangehörigen als legitim erachtet wird. In einigen Jahren werden sich die geburtenstarken Jahrgänge auf den Friedhof oder ins Pflegeheim verabschiedet haben. Dann wird die Generation, die zur Zeit noch die Grundschulen und Kitas bevölkert, die Kontrolle übernehmen.

    Wenn diese Generation die Sharia bevorzugt, wird das Grundgesetzt sie nicht daran hindern.

    • Die Mehrheit wird sicher nicht die Scharia bevorzugen, aber eine gewaltbereite Minderheit von Islamisten und Linksextremisten könnten sie allen aufzwingen oder schon deutlich früher (partiell schon jetzt) für Muslime zulassen.

      • Genau aus diesem Grund habe ich mir ein Exil gesucht. Wer Geld hat, wandert aus, wer keines hat, wandert ein.

        Jetzt warte ich auf das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Wenn die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt wird, muss das auch für mich (ohne Migrationshintergrund) gelten! Ich habe nämlich Chancen darauf, die Staatsbürgerschaft der Dominikanischen Republik zu bekommen.

        Ich liebe Deutschland, ABER fuck Neubuntland!

  2. Wir strikten Liberaldemokraten müssen- für UNS selbstverständlich- ein ganz anderes Grundgesetz fordern. Aber Sie haben recht, Hr. Prof. Dilger: Ein jetzt mögliches neues wäre noch schlechter!

    • Müssen wir wirklich ein anderes Grundgesetz fordern? Was daran ist illiberal oder undemokratisch? Natürlich gäbe es noch Verbesserungsmöglichkeiten, doch das eigentliche Problem ist die Verfassungswirklichkeit, die immer stärker vom Grundgesetz und vor allem dessen ursprünglichen Werten abweicht.

      • Lieber Prof. Dilger! Vielen Dank für Ihre Frage: Sie zeigt mir, wie wenig es mir gelungen ist, daß theologisch-philosophisch begründete Modell des strikten Liberaldemokratismus vorzustellen. Hoffentlich schaffe ich dazu ein Buch…

      • Das Grundgesetz ist liberal und demokratisch. Sie sollten nicht dagegen anschreiben, sondern gegen die Aushöhlung und Uminterpretation des Grundgesetzes zur Einschränkung von Freiheit und Demokratie.

  3. Um dieses Jubiläum wird ja gerade ein mächtiger Wirbel veranstaltet. Besonders pervers finde ich in diesem Zusammenhang, das Grundgesetz als Ersatz für das Staatsvolk zu überhöhen.

    Das Gerede vom Verfassungspatriotismus dient dem durchsichtigen Zweck, denjenigen, für die Deutschland nicht die Heimat (patria) ist, etwas anzubieten, mit dem sie sich identifizieren sollen. Das kann nur in die Hose gehen.

    • Auch für Migranten und vor allem deren Nachkommen kann Deutschland zur Heimat werden. Warum sollten sie dann nicht auch Teil des deutschen Volkes werden können, wenn sie die grundlegenden Werte und die Sprache teilen? Nicht in Ordnung ist es hingegen, selbst Kriminellen und Islamisten die Staatsbürgerschaft hinterherzuwerfen.

      • Andere Kulturen, andere Werte. Nicht jede Kultur ist mit der europäischen kompatibel, da würde ich keine allzuhohen Erwartungen in das Teilen der grundlegenden Werte hegen.

        In der Realität wird sich eher das hiesige Wertesystem ändern. Und das sicherlich nicht zum Besseren.

      • Das Wertsystem und gesellschaftliche Klima ändern sich jedoch dadurch, dass jeder unkontrolliert ins Land gelassen wird und auch die Hürden für die Einbürgerung immer weiter gesenkt werden. Gerade die gut integrierten Migranten leiden besonders darunter.

  4. Das Grundgesetz ist eine gute Verfassung, vor allem im Unterschied zur Weimarer. 2009 hat der Wiss. Dienst des Bundestages die Änderungen auf 178 (!) Seiten aufgelistet. Insbesondere die Änderungen der letzten 30 Jahre sind z.T. fragwürdig, z.B. die Einführung von Staatszielen. Insgesamt sehe ich die Tendenz, das GG immer mehr als eine Art überparteiliches Parteiprogramm zu verstehen. Dazu gehört auch, dass die Grundrechte immer mehr als objektives Recht angewendet werden, womit dem Staat Handhaben gegeben werden, unter Berufung darauf die Freiheit der Bürger einzuschränken:

    Art. 1: Begründung zum Verbot oppositioneller Parteien

    Art. 2: Schutz der Bürger vor den Folgen des Klimawandels für Leben und Gesundheit

    Art. 3: Förderung der tatsächlichen Gleichstellung, Verbot der Diskriminierung unter Privaten

    Art. 4: Verwirklichung der Sozialbindung des Eigentums

    Art. 5: Ewigkeitsgarantie für die Existenz des ö.-r. Rundfunks

    Das ist leider keine Realsatire.

    • Die Grundrechte wurden als Abwehrrechte gegen einen übergriffigen Staat vorne ins Grundgesetz aufgenommen, werden inzwischen jedoch in Bürgerpflichten uminterpretiert, die den Staat zu Übergriffen in die Privatsphäre der Bürger legitimieren. Aus demselben Grund werden auch Staatsziele ins Grundgesetz aufgenommen.

  5. Im mainstream- und regierungskritischen Lager, nicht zwingend nur auf rechter Seite, wird ja schon seit Jahren die Tatsache bemängelt, dass es bis heute nicht die Verfassung gibt, die uns laut Grundgesetz zusteht und dieses ablösen würde. Nicht selten wird dies auch von teils irrlichternden Vertretern (z.B. aus dem Reichsbürgermilieu) als eines der großen Probleme unserer Zeit angesehen, weshalb es überhaupt erst die Schieflage in unserem Land und die hiesige Innen- wie Außenpolitik gäbe. Tatsache ist aber, dass auch Länder mit einer Verfassung in keinster Weise von einer für ihr eigenes Land besseren Politik gesegnet sind, was diese Gedanken bereits als naiv entlarvt.

    Richtigerweise werden deshalb auch diese weitgehend apolitischen Nebenkriegsschauplätze (es gibt ja derlei noch deutlich mehr, wie z.B. das Thema „Friedensvertrag“) auch von der AfD inkl. dem hier vielfach gescholtenen Björn Höcke stets als im Grunde abwegige und naive Überlegungen richtig gestellt. Denn wenn von den heutigen politischen Eliten des Landes eine Verfassung aufgesetzt würde, wäre diese ein Spiegelbild der jetzigen links-grünen Wokeness und nichts anderes, als eine Kampfansage. Deshalb können wir mit dem neutralen Grundgesetz wirklich noch froh sein.

    • Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Wiedervereinigung gab es die Wahl, eine neue gemeinsame Verfassung zu schaffen oder das Grundgesetz für das wiedervereinigte Deutschland beizubehalten, wofür man sich wohl vor allem aus Zeitgründen entschied. Das war auch kein Fehler im Gegensatz zu vielen anderen Schnellschüssen, die vor allem Herr Schäuble zu verantworten hatte.

      Herr Höcke ist kein Reichsbürger, sondern ein nationaler Sozialist, der ebenfalls nichts vom Grundgesetz hält, aber es erst nach seiner Machtergreifung abschaffen will.

  6. Lieber Herr Prof. Dilger: Erlauben Sie mir bitte den Hinweis, daß ich von einer STRIKT liberaldemokratischen Verfassung sprach. Das Grundgesetz ist wenig demokratisch und wenig liberal.

    • Das sehe ich anders. Das Grundgesetz ist demokratischer als die Verfassungswirklichkeit, so sieht es weder Prozent-Hürde noch Fraktionszwang vor, dafür durchaus Volksabstimmungen. Die Grundrechte sind sehr liberal, nur ihre willkürliche Aussetzung und Uminterpretation in Bürgerpflichten ist verfehlt.

      • Ganz kurze Antwort: Das von Ihnen als eher undemokratische Verfassungswirklichkeit Beschriebene könnte eine demokratischere Verfassung ja auch klar ausschließen oder durch klare Gebote das Gegenteil vorschreiben, etwa Volksabstimmungen. Und selbst viele Grundrechtsartikel, nur Teil des GG, das so viele antiliberale Artikel enthält, sehen antiliberale Grundrechtseinschänkungen vor…

      • Lieber Herr Motte, bitte benennen Sie drei antiliberale Artikel im Grundgesetz. Ich denke, Sie haben sich da verrannt. Natürlich kann man sich liberale Verfassungen vorstellen. Beispielsweise war die Weimarer Reichsverfassung formal liberaler, erleichterte damit aber auch ihre Selbstabschaffung. Selbst klare Regelungen können übergangen oder in ihr Gegenteil uminterpretiert werden, denken Sie an die EU-Verträge z. B. hinsichtlich monetärer Staatsfinanzierung, nationalen Schuldengrenzen und EU-Schuldenverbot.

  7. Lieber Prof. Dilger: Sie bitten mich, 3 antiliberale Artikel im GG zu nennen- ich vermute, daß ich Ihnen 100 nennen könnte… Hier nur wenige:

    Schon die Präambel spricht vom Bewußsein DES Deutschen Volkes“ von seiner Verantwortung vor Gott: eine antiliberale Vereinnahmung gottloser Volksteile1 .

    Artikel 2 (1) beendet die Freiheit beim Sittengesetz- als ob nicht Freiheit auch die ist, selbst über „das“ Sittengesetz zu entscheiden

    Artikel 3 (2) erlaubt genderistische Freiheitseinschränkungen

    Artikel 7 (4 und 5) beschränken die Privatschulfreiheit

    Artikel 14 (2) ist antiliberal

    Artikel 15 ist weitgehend antiliberal (Enteignungen sind manchmal nötig, nicht aber zwecks Vergesellschaftung)

    Artikel 17 (1) ist weitgehend unnötig antiliberal

    So zieht sich das durchs ganze Grundgesetz . Und erst dessen antiliberale Auslegung durch „Karlsruhe“…

    • Bei genauer Betrachtung traf in der Präambel die verfassungsgebende Versammlung eine Aussage über sich selbst. Dass ihre Mitglieder größtenteils an Gott glaubten, glaube ich gerne.

      Das Sittengesetz ist überindividuell und entscheidend ist sein Inhalt, der heute ziemlich liberal sein dürfte (vor 75 Jahren allerdings noch weniger).

      Was haben Sie gegen Gleichberechtigung? Diese ist sehr liberal im Gegensatz zu einer Diskriminierung von Frauen oder auch Männern.

      „Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet.“ Das ist doch sehr liberal. Eine (großzügig erteilte) staatliche Genehmigung als Bedingung ist vertretbar.

      Vernünftiger privater Eigentumsgebrauch dient doch fast immer auch der Allgemeinheit. Das ist doch eine der Grundideen des Liberalismus, die Sozialisten nicht verstehen.

      Die Vergesellschaftung ist nicht als Selbstzweck zu verstehen, sondern kann in bestimmten (sehr seltenen) Fällen den Wohlstand aller steigern.

      Artikel 17 hat nur einen Absatz und ist mit dem Petitionsrecht sicher nicht antiliberal. Vielleicht meinen Sie Artikel 17a, doch gewisse Grundrechtsbeschränkungen bei Wehrpflichtigen sind nachvollziehbar. Es ist eher die Wehrpflicht selbst (Artikel 12a, erst später ergänzt) wenig liberal, weshalb ich ihre Aussetzung begrüße.

    • Der zweite Satz in Artikel 3.2 ist tatsächlich mittlerweile problematisch. Wie kürzlich hier besprochen, führt er heutzutage dazu, dass (weiße) Männer bei manchen Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst de facto benachteiligt werden.

      • Auch unterhalb der Leitungsebene wird bei uns offen und mit so gut wie keinem Widerspruch davon gesprochen, dass die Professorenschaft zu deutsch und zu männlich sei und dass das zu ändern sei.

      • Das widerspricht direkt dem Grundgesetz und auch wissenschaftlichen Grundsätzen. Man sollte stets versuchen, die wissenschaftlich beste Person zu gewinnen, die man überhaupt bekommen kann.

      • Das interessiert die Leute nicht. Wenn Sie das einmal anmerken, ernten Sie ein müdes Lächeln, beim zweiten Mal werden Sie ignoriert und irgendwann werden Sie sozial ausgegrenzt, wenn Sie weiter auf das Grundgesetz beharren.

      • Ist es nicht eher so, daß oftmals schon vor der Ausschreibung einer Professur feststeht, wer es werden soll? Daß das Berufungsergebnis bereits über den Ausschreibungstext gesteuert wird?

        Das mit der besten Person ist bestenfalls ein frommer Wunsch.

      • Es kommt vor, dass die gewünschte Person schon feststeht, es ist allerdings relativ selten. Richtig ist, dass es eigentlich bei jedem Berufungsverfahren Versuche einer unsachlichen Einflussnahme gibt, diese aber abgewehrt werden können, wenn die anderen Mitglieder der Berufungskommission aufpassen. Es ist auch leichter, Kandidaten zu verhindern, als einen bestimmten durchzudrücken.

      • Ich nehme noch einen anderen Trend war, und zwar werden woke Kandidaten für Professuren (meist Frauen) im Vorfeld ausgesucht und dann werden Stellen explizit für solche Menschen geschaffen. Entweder durch Gestaltung des Ausschreibetextes, sodass diese Personen dann zufällig die besten sind, oder gar durch Einstellung ohne Ausschreibung. Es kommt auch vor, dass Fakultätsleitungen in den Kommissionen Druck ausüben, um bestimmte Abstimmungsergebnisse zu erzielen.

        Natürlich kann man formal immer dagegen stimmen. Das geht auch erst einmal ohne konkrete Nachteile. Aber man braucht Energie dafür, wenn solche Dinge systematisch geschehen. Vielen ist das zu mühsam, sodass sie sich dann von diesen Konflikten fernhalten.

  8. A) Die Präambel spricht von der Verantwortung des Volkes vor Gott. Solange nicht alle Mitglieder des Parlamentarischen Rates an Gott glaubten, wäre aber auch eine Bindung des Rates nur für sich Verletzung des liberalen Grundsatzes des religiösen Minderheitenschutzes. Christliche Bedenken gegen diese Anrufung Gottes äußerte ich übrigens gerade in einer katholischen Internetzeitung aus Münster (bei Dortmund)

    B) Überindivuelle Festlegungen des Sittengesetzes verletzen das liberale Recht jedes Individuums zur eigenen Festlegung seiner sittlichen Überzeugung. Wer die allgemeine Überzeugung von Sitte für heute ziemlich liberal hält, nimmt die üblichen Überzeugungen etwa von ökonomisch-sozialer Sittlichkeit anders war als ich…

    C) Gleichberechtigung (Gleiches Recht) bejahe ich. Im Gleichheitszusatz geht es aber um Gleichstellung (tatsächliche Gleichberechtigung heißt der Tarn begriff) der ezwa antifeministischen Frauen ihr liberales Recht nimmt, friedlich den Genderismus zu bekämpfen

    D) Der Schulartikel verbietet antiliberal private Volksschulen bei Existenz staatlicher Volksschulen angeblich gleicher Konfession in der selben . Er verbietet antiliberal Privatschulen, die die Aufteilung nach Besitzverhältnissen fördern, Bei meinem Vortrag in Bochhum (bei Dortmund) über Schulprivatisierung wies ich übrigens nach, daß gerade Reichenschulen sozial sind. Die im Schulartikel vorausgesetzte Staatsschule iust immer antiliberal. Liberalismus ist fast identisch mit Privatisierung

    E) Liberal ist es, die Vernünftigkeit privaten Eigentumsgebrauches und die Entscheidung über das Gemeinwohlsollen nicht als rechtliches Sollen vorzugeben, sondern privaten Entscheidungen zu überlassen

    F) Ja- 17 a- DANKE für Korrektur! Die Wehrpflicht diskutierte ich nicht, sondern zu pauschale Einschränkungen etwa des Grundrechts der Meinungsfreiheit Wehrpflichtiger…

    • Lieber Herr Motte, ich hatte Sie gebeten, drei antiliberale Grundgesetzartikel zu benennen. Sie haben sechs angeführt, die vielleicht nicht 100 Prozent liberal sind, sondern nur 90 Prozent. Antiliberal würde jedoch minus 100 Prozent bedeuten. Solche Artikel gibt es im Grundgesetz nicht und der Liberalismus in Deutschland wird ganz sicher nicht vom Grundgesetz bedroht, sondern von vielen anderen Seiten, auf die wir uns konzentrieren sollten.

      • Irgendwo liberal sind wohl alle demokratischen Verfassungen und alle demokratischen Parteien . Ich verstehe unter antiliberal eher das, was Sie nicht 100 % liberal nennen. In diesem Sinne nenne ich ja auch FDP, CDU, SPD antiliberal. In diesem Sinne ist auch das GG antiliberal. Und ich behaupte, daß die von Ihnen genannten „Seiten“, die noch antiliberaler sein mögen als das GG, am besten bekämpft werden können durch eine liberale Verfassung. Liberal ist das beste Mittel gegen „Radikal“ (im Sinne von extremistisch).

      • Antiliberal ist noch schlimmer als illiberal, was schlimmer ist als nicht liberal, während Sie selbst Liberales als antiliberal diskreditieren, wenn es nicht perfekt ist. Das ist selbst radikal und nicht hilfreich, um als liberale Minderheit demokratische Mehrheiten für möglichst viel individuelle Freiheit zu gewinnen.

      • Die Bezeichnung „stalinistisch geprägt“ trifft den Zustand nicht ganz korrekt.

        Die diesen Staat dominierenden Grünen stammen nicht von der stalinistischen DKP, sondern von diversen maoistischen K-Gruppen ab. Auch der Anfangssatz stammt von Mao und nicht von Stalin.

  9. Lieber Prof. Dilger:

    Vielen Dank für Ihre wertvollen Anregungen zu den Begriffen Liberal, Illiberal, Antiliberal. Ich bin da gerne lernbereit, kompromißbereit. Das gilt noch zusätzlich, wenn durch Sprachgebrauch mehr Zustimmung zur liberalen Sache gewonnen werden kann! Meine „radikale , wie Sie meinen, Sprache kann vielleicht so erklärt werden: Ich sehe im Grundgesetz weit weniger liberale Tendenzen als Sie. Das wiederum könnte zusammenhängen mit einem engeren Liberalismusbegriff: Ich definiere „Liberal“ nicht im Sinne dessen, was in der Öffentlichkeit oft als liberale Demokratie bezeichnet wird, also – einfach gesagt- Grundrechte enthaltend. Ich definiere „Liberal“ auch nicht, wie sehr vage (fast also gar keine Definition) die FDP. Ich definiere“Liberal“ als die Beschränkung des Staates auf Sicherung der äußeren Freiheit. Was das ist, könnte ich darlegen. Es schließt jedenfalls die staatliche Sicherung des sozialen Minimums ein. Tut der Staat mehr, wie es das Grundgesetz sogar fordert bzw. vorsieht, nenne ich das gegen liberale Grundsätze verstoßend, kurz: antiliberal. Nur so, durch diese Sprache, meine ich, kann ich in der Öffentlichkeit mehr Zustimmung für den Liberalismus gewinnen. Ich denke diesbzgl. also ganz anders als Sie: Ich will einen falschen Liberalismusbegriff deutlich entlarven.

    Zum „Radikalen“. Sie meinen damit Sprache. Ich meinte damit Inhalt, nämlich Grundrechte beseitigende Politik. Ich setzte das Wort „Radikal“ bewußt in Anführungsstriche. Ich schrieb zu dem Begriff 1972, als der „Radikalenerlaß“ der Regierung Brandt herauskam, eine Abiturarbeit (am damaligen Gymnasium in Dortmunds Gartenstadt, lieber Mitdortmunder). Ich lehnte schon damals dar, daß „Radikal“ in Deutschland eine andere Bedeutung hat als in älteren Demokratien. Bei denen steht „Radikal“ für eher liberale bis strikt liberale Mitte…

    Zum Radikalen: Ich meinte damit Inhaltliches

    • Ihren Liberalismusbegriff finde ich zu eng, auch wenn mir der politische Inhalt sympathisch ist. Grundsätzlich kann man Begriffe definieren, wie man möchte, doch Ihre Begriffsbestimmung weicht vom allgemeinen wie auch historischen Sprachgebrauch ab. Liberalismus ist eine der drei politischen Grundströmungen der Moderne (neben Sozialismus und Konservatismus), von daher sehr breit und viele verschiedene Auffassungen umfassend, während Sie andere liberale Auffassungen bereits als antiliberal abtun, weil sie mit Ihrer nicht völlig übereinstimmen. Das scheint mir nicht sehr liberal und tolerant zu sein.

      Gemeinsamtkeit der liberalen Auffassungen ist nach meinem Verständnis nicht „die Beschränkung des Staates auf Sicherung der äußeren Freiheit“, sondern die Betonung der individuellen Freiheit und der grundsätzliche Vorrang von individuellen Menschen gegenüber Kollektiven wie Staat, Gesellschaft, Volk oder Rasse. Es macht Sinn, zwischen Liberalen über die besseren Konzepte zu streiten, doch darüber sollte man die Gemeinsamkeiten gegenüber Sozialisten und Konservativen nicht vergessen, mit denen man trotzdem zusammenarbeiten kann, z. B. auf dem Boden des Grundgesetzes, solange sie keine Extremisten sind.

  10. Sie haben völlig recht: Selbstverständlich vertrete ich nicht die Gemeinsamkeit der Auffassungen derer, die unter der „Marke Liberal“ herumlaufen. Dasselbe gilt auch für Demokraten. Ich bemühe mich um „harte“ Ableitungen aus den Worten selbst. Dabei stehe ich in Traditionen, die in Deutschland selten bis gar nicht vorkamen und – kommen. Das so schlechte Grundgesetz ist dafür Musterbeispiel. Ich versuche dabei, Ihrer Anregung zum Streit um das bessere Konzept zu folgen.

    Zusammenarbeit mit allen halbwegs Vernünftigen (Demokraten) ist möglich und nötig.

    • Politische (und moralische) Überzeugungen sind nicht dichotom wahr oder falsch, sondern graduell besser oder schlechter (und das auch noch in Abhängigkeit von den eigenen Werten). Die Vorstellung von der einzig richtigen Wahrheit führt zu erbittertem Streit mit eigentlichen sehr nahen Positionen, beim graduellen Verständnis kann man die vielen Gemeinsamkeiten sehen und die verbleibenden Unterschiede sachlich diskutieren und ggf. als fortbestehend akzeptieren („agree to disagree“).

  11. Der von mir vertretene Liberaldemokratismus vertritt mit gewissen Ausnahmen, etwa manchen naturwissenschaftlichen und ähnlichen Wahrheiten sowie striktem Liberalismus und strikter Demokratie , daß keine Wahrheit mit privater oder staatlicher Gewalt gefördert, gehindert oder durchgesetzt werden darf. Das vor allem unterscheidet uns von anderen „Liberalen“ , Konservativen, Sozialisten. selbst wenn sie Demokraten sind, und dem Grundgesetz…

    • Naturwissenschaftliche und mathematische Wahrheiten müssen nicht mit staatlicher Gewalt durchgesetzt werden, sondern höchstens ihre Leugnung (wie bei den biologischen Geschlechtern; gilt noch viel stärker z. B. für Planwirtschaft gegen alle ökonomischen Erkenntnisse). Der liberale Rechtsstaat soll vor allem der Begrenzung von Gewalt dienen, sowohl privater wie staatlicher, aus dem Ausland und von der eigenen Regierung.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..