Der Bundesfinanzhof hat mit heute verkündetem „Urteil vom 17. Januar 2023“ die „Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags“ bejaht, statt das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden zu lassen. Dabei gibt es sehr begründete Zweifel an dieser Verfassungsmäßigkeit, weil eine Ergänzungsabgabe nur befristet und für einen bestimmten Zweck erhoben werden darf, der Solidaritätszuschlag aber faktisch unbefristet erhoben wird und seine ursprünglichen Zwecke spätestens mit Ende des Solidarpakts II weggefallen sind. Dass es irgendwelche allgemeinen Folgekosten durch die deutsche Wiedervereinigung auch noch in hundert Jahren geben könnte, spricht gerade nicht für eine Weitererhebung. Der Bundesfinanzhof meint hingegen, dass die Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf nur noch zehn Prozent der Steuerzahler, die allerdings über die Häfte des vorherigen Aufkommens generieren, für ein allmähliches Auslaufen des Solidaritätszuschlags sprechen würde.
Dabei wirft diese Beschränkung auf einige Steuerzahler selbst verfassungsrechtliche Fragen auf, da sie allein parteitaktisch und populistisch zu erklären ist und nicht mit allgemeinen Grundsätzen der Steuergerechtigkeit. In der Ausgestaltung führt die „Minderungszone“, in der der Solidaritätszuschlag noch nicht vollständig (5,5 Prozent von der gesamten Einkommensteuerschuld) erhoben wird, zu einem besonderen Problem, nämlich einem höheren Grenzsteuersatz (11,9 Prozent pro zusätzlichem Euro Einkommensteuer statt 5,5 Prozent) für niedrigere Einkommen. Hinzu kommt, dass der Solidaritätszuschlag weiterhin auf Kapitalerträge gezahlt werden muss, und zwar von jedem Steuerzahler, der überhaupt Kapitalertragsteuer zahlt (bei einem persönlichen Grenzsteuersatz unterhalb der Abgeltungsteuer kann man sich die Differenz allerdings auf Antrag erstatten lassen). Das führt zu einer ungleichen Besteuerung unabhängig von der Leistungsfähigkeit, was dem Bundesfinanzhof jedoch egal ist.
Das Bundesverfassungsgericht wird sich ohnehin noch einmal mit dem Solidaritätszuschlag befassen müssen, auch ohne Vorlage vom Bundesfinanzhof, weil Abgeordnete der FDP dort direkt dagegen klagen. Viel besser wäre es natürlich, wenn die FDP sich im Bundestag und in der Bundesregierung dafür einsetzen würde, diese ineffiziente Ungerechtigkeit endlich abzuschaffen. Letztlich ist es eine politische Entscheidung, doch Deutschland wird schlecht regiert und die staatlichen Gerichte schützen inzwischen lieber den Staat bzw. die Parteien als die Bürger und das Recht.