Einordnung von Volkswirten

Das Handelsblatt berichtet aktuell gerne über Twitter-Diskussionen von Volkswirten, als wenn diese einen besonders großen Nachrichtenwert hätten, insbesondere über die Tweets hinaus. Interessant ist aber doch die Einteilung „Deutschlands Top-Ökonomen: Wer ist Keynesianer? Wer ist Ordoliberaler?“ und insbesondere das eingebundene Schaubild. Darin werden 17 recht bekannte Volkswirte vier Gruppen zugeordnet, die in einer Dimension geordnet werden, nämlich von „Eher für staatliche Eingriffe“ bis „Eher gegen staatliche Eingriffe“. Die Gruppen sind dann von links nach rechts Keynesianer, Neokeynesianer, Liberale und Ordoliberale.

Dabei fällt sofort auf, dass Ordoliberale als ablehnender gegenüber staatlichen Eingriffen charakterisiert werden als Liberale, was historisch wie systematisch falsch ist. Die Ordoliberalen zeichnet gerade aus, dass sie nicht alles dem Markt bzw. den frei agierenden Individuen überlassen wollen, sondern staatliche Regeln befürworten, die z. B. Monopole verhindern und das Existenzminimum sichern sollen. Wer dann als Liberaler oder Ordoliberaler eingeordnet wird, wirkt recht willkürlich, was wohl auch auf die Keynesianer und Neokeynesianer zutrifft. Noch wichtiger scheint mir jedoch der Punkt, dass selbst die Unterscheidung zwischen (Ordo-)Liberalen einerseits und (Neo-)Keynesianern andererseits heute nicht mehr in dieser Schärfe besteht (siehe auch ‚Sind die Wirtschaftswissenschaften zu ideologisch und zerstritten?‘).

In akuten Krisen sind die meisten heutigen Volkswirte für staatliche Maßnahmen und in diesem Sinne Keynesianer. Die aktuelle Diskussion geht eher um die Frage, ob der Staat auch sonst bzw. dauerhaft immer höhere Schulden machen soll und kann, weil z. B. stets Nachfrage fehlt und die Ersparnisbildung zu hoch ist, oder ob der Staat den Konjunkturzyklus glätten soll, indem er die Schulden aus der Krise in Boomzeiten wieder reduziert. Letzteres würde ich empfehlen wie auch die Befristung von Hilfsmaßnahmen, etwa dem Kurzarbeitergeld (siehe ‚Kurzarbeitergeld sollte nicht verlängert werden‘).

Eine andere grundsätzliche Frage ist die, ob der Staat möglichst regelgebunden handeln soll oder diskretionär, also positiv ausgedrückt pragmatisch und negativ formuliert willkürlich. Dabei bin ich für die grundsätzliche Regelbindung, die allerdings echte, also seltene und begründete Ausnahmen zulässt. Eine gute Regierung macht also nicht nichts, sondern sie konzentriert sich (zusammen mit der Legislative) auf sinnvolle Regeln, deren Einhaltung und Notfälle. Ökonomen (wie auch Politiker und normale Bürger) können dann darüber diskutieren, welche Regeln sinnvoll sind und welche nicht, wann ein Notfall vorliegt und wie darauf zu reagieren ist. Regeln abzulehnen und/oder den dauerhaften Notstand auszurufen, ist hingegen weder politisch noch ökonomisch klug.

5 Gedanken zu „Einordnung von Volkswirten

  1. “ ………..Eine gute Regierung macht also nicht nichts, sondern sie konzentriert sich (zusammen mit der Legislative) auf sinnvolle Regeln, deren Einhaltung und Notfälle. Ökonomen (wie auch Politiker und normale Bürger) können dann darüber diskutieren, welche Regeln sinnvoll sind und welche nicht, wann ein Notfall vorliegt und wie darauf zu reagieren ist. Regeln abzulehnen und/oder den dauerhaften Notstand auszurufen, ist hingegen weder politisch noch ökonomisch klug. “

    Der letzte Absatz bringt es auf den Punkt, u.a. was kann, macht der Staat / Behörde besser als eine mit Regeln bestimmte Wirtschaft, Finanzwelt, Justiz.

    Ohne Wert die Einordnung von Volkswirten in Gruppen.

    • Die konkrete Einrodnung des Handelsblattes ist keinesfalls sinnvoll. Ob ein solches Einordnen überhaupt sinnvoll ist, ist strittig, aber auch ohne Schubladenbildung sollte nicht vergessen werden, dass es unterschiedliche Ansichten gibt, die sich jedoch mit den Bezeichnungen des letzten oder gar vorletzten Jahrhunderts nur unzureichend charakterisieren lassen.

      • Eine offenkundig wenig sinnvolle Einordnung. In einer Welt, die nicht perfekt ist, wird man auch keine perfekten Patentrezepte (wie Libertäre aber meinen) gewinnen können. Aber sehr viel weniger Staat ist sinnvoll- und bis das erreicht ist, kann man die Diskussion über den Rest von Staat wohl gelassen angehen. Coronapolitik gegen Seuche und gegen Rezension ist natürlich sehr zu diskutieren, aber bitte möglichst wenig ohne „Verschwörungstheoretiker“ und sonstige „Rechtsnarren“. Deren Gegenstücke von links brauchen keine Ergänzung von rechts…

  2. Pingback: Einordnung von Volkswirten – Ben's Blog für Demokratie und Freiheit

  3. „Keynesianer, Neokeynesianer, Liberale und Ordoliberale“…???
    Ich kenne nur zwei Gruppen von Volkswirten: Die, die rechnen können und die, die schön rechnen…!

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