EU-Parlament will noch mehr EU-Gelder

Die ‚EU wird Schulden-, Haftungs-, Transfer- und Fiskalunion‘. Das haben alle Regierungschefs beschlossen, weil die Deutschen dafür bezahlen, sowohl die zusätzlichen Mittel für die Empfängerländer als auch die Beitragsrabatte für die anderen Nettozahler und außerdem die Beitragsausfälle durch den Brexit. Der Deutsche Bundestag wird sicher zustimmen, doch das EU-Parlament ist noch nicht zufrieden: „Fraktionen kündigen Widerstand gegen EU-Haushalt an“, aber nicht etwa gegen die geplanten Brüche der EU-Verträge, die gemeinschaftliche Schulden und Steuern verbieten. Die EU-Parlamentarier fordern Rechtsstaatlichkeit nur von anderen, deren Politik ihnen mehrheitlich nicht passt, insbesondere von Polen und Ungarn, obwohl diese trotz aller Probleme viel demokratischer als die EU und das EU-Parlament selbst sind. Außerdem wollen sie mehr Geld, sowohl direkt im Haushalt als auch über eigene Steuern. Tatsächlich ist es merkwürdig, dass ein gigantischer „Corona-Wiederaufbaufonds“ geschaffen werden soll, zugleich aber gerade die Gelder für Forschung, Gesundheit und Investitionen gekürzt werden. Noch mehr Gelder an die EU sind jedoch nicht die Lösung, sondern die EU muss ihre Gelder besser einsetzen, was auch für die Bundesregierung gilt. Parlamente dienten einmal dazu, die Ausgaben der Regierungen im Interesse der Steuerzahler zu kontrollieren, nicht zum Fordern noch höherer Ausgaben, Schulden und Steuern.

16 Gedanken zu „EU-Parlament will noch mehr EU-Gelder

  1. „Parlamente dienten einmal dazu, die Ausgaben der Regierungen im Interesse der Steuerzahler zu kontrollieren, nicht zum Fordern noch höherer Ausgaben, Schulden und Steuern.“

    Sie sagen es!
    Weder EU-Parlament noch der Deutsche Bundestag kontrollieren ihre Regierungen.
    Es läuft alles aus dem Ruder – out of control!
    Aber es scheint auch niemand da zu sein, den das noch kümmert.

    • „. . .Weder EU-Parlament noch der Deutsche Bundestag kontrollieren ihre Regierungen. . . .“ Das ist wohl eine Fehlinterpretation. Es gibt zwei Ansichten von Europa. Die eine, der die Altparteien derzeit zuneigen, geht dahin, dass sich die EU ohnehin zu einem Bundesstaat entwickeln müsse und sowohl die Panepidemie wie die außenpolitischen Bedrohungen Beschleunigungsfaktor seien. Ausgeklammert wird, dass wichtige Entwicklungen in der EU in die entgegengesetzte Richtung zeigen: Politische Entscheidungen behindern zunehmend auch die Wirtschaftskraft starker Länder. Die Währungsunion hat wirtschaftliche Anpassung nicht gefördert- vielmehr eher gebremst. In wichtigen Ländern werden nationalistische Strömungen stärker.
      Die andere Sicht begründet ihre am Maastricht-Vertrag orientierte Position eben mit diesen Fehlentwicklungen. M. E. werden diese schon bis zur nächsten Bundestagswahl auf die öffentliche Meinung durchschlagen- Folgen unklar.

      • Die „öffentliche Meinung“ interessiert sich so wenig für insbesondere wirtschaftliche und volkswirtschaftliche Zusammenhänge (und versteht auch viel zu wenig davon), dass sie sich mit der emotionalen Karte, die in vielerlei Hinsicht gespielt wird, leicht gewinnen lässt. Realpolitik ist daher aus der Warte der Opposition heraus schon lange völlig zwecklos und die überwiegend kinderlosen Regierungspolitiker agieren sowieso nur nach dem Credo „nach uns die Sintflut“. Einmal eine Fußnote in den Geschichtsbüchern zu sein, interessiert diesen Politikertypus mehr als nachhaltige und zukunftstaugliche Politik.

      • Der Maastricht-Vertrag und dessen Kriterien sind doch faktisch nicht mehr gültig. Hierzulande tritt auch keiner mehr dafür ein. Die öffentliche Meinung wird stark vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk geprägt und parteipolitisch macht nur die AfD ein Gegenangebot (welches sich aber auch nicht an Maastricht orientiert und aus den bekannten Gründen insgesamt unattraktiv ist).

    • Mir fehlt bei solchen Summen das Vorstellungsvermögen und ich gebe auch zu, dass ich die Mechanismen nicht mehr vollumfänglich verstehe. Woher kommt das Geld denn? Nimmt die EU und nehmen die Staaten dazu immer wieder neues Geld auf? Und bei wem? Leihen die Staaten untereinander das Geld oder gibt es private Investoren, deren Vertrauen in die Staaten so groß ist, dass sie das Geld leihen? Mir fehlt auch deswegen das Verständnis, weil bei Projekten wie der Grundrente immer argumentiert wurde, das Geld dafür wäre nicht da. Mit einem Mal aber sind viel größere Summen verfügbar. Das ist dem Durchschnittsbürger doch gar nicht vermittelbar

      • Ich vermute, dass die Zentralbanken einfach frisches Geld ausgeben (Giralgeld?).
        Aber Herr Dilger kann uns das sicher sehr viel bessser erklären …

      • Die EZB darf auch EU-Anleihen, die eigentlich ganz verboten sind, nur am Sekundärmarkt kaufen, was sie dann fleißig tun wird.

      • Mich würde auch brennend heiß interessieren, wie das technisch abläuft. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich auf dem normalen Kapitalmarkt so viele Privatanleger oder institutionelle Anleger finden, die bereit sind, zu einer 0,X%-igen Verzinsung, EU-Staatsanleihen in dreistelliger Milliardenhöhe zu kaufen. Wenn die EZB diese Mittel am Kapitalmarkt vorbei, durch „Erschaffen“ von Geld, also drucken oder hebeln, zur Verfügung stellt, ist das Staatsfinanzierung, was ihr doch eigentlich verboten ist. Ich kann nur hoffen, dass phöse räschde Politiker mit einer Klagewelle auf nationaler und EU-Ebene reagieren werden!

      • Der EuGH hat es durchgewunken, dass die EZB beliebig Staatsanleihen kauft, solange das nicht bei der Erstausgabe geschieht, sondern fünf Minuten später. Das wird er auch bei den verbotenen EU-Anleihen erlauben. Im Übrigen sind diese doch sicherer als Anleihen von Italien oder gar Griechenland, die sich auch alle wieder gut verkaufen mit der EZB als größtem, aber nicht einzigem Käufer.

      • 300selhttp://gravatar.com/danielsodenkamp@300sel – Wenn die Auswirkungen der Pandemie und der vorhergehenden Eingriffe in die Wirtschaftsstruktur beim Einzelnen ankommen (eine Frage kurzer Zeit), wird wohl die „emotionale Karte“ nicht mehr so ziehen. also wenn z. B. Kurzarbeit in Entlassungen mündet.
        @danielsodenkamp – Vermutlich hält sich auch die EZB für den Kauf von Anleihen der EU auf dem Sekundärmarkt zuständig. Die Ratings der geplanten EU-Anleihen sind schon jetzt „AAAAAAAAAA“ . Es gibt viele Institutionen, die Geld aus verschiedenen Gründen liquide anlegen müssen. Und die EU-Anleihen sind so lange liquide, wie die Inflation nicht explodiert.
        Die Grundrente bewirkt Kosten, die dem Kriterium der „Schwarzen Null“ unterliegen. Die Anleihen sind Schulden, deren Kosten- und Tilgungen im Umlageweg über den EU-Haushalt erbracht werden. Hinsichtlich der Tilgungen besteht die starke Vermutung, dass diese aus fortwährend neuen Anleihen erbracht werden. Sofern – wie es derzeit aussieht – Produktionskapazitäten dauerhaft vernichtet werden, sich aber durch Rückbesinnung neue Bedarfe ergeben, kann es durchaus zu inflationären Entwicklungen kommen, auf Grund derer Anleihen wie Sauerbier abgestoßen werden.

      • Die EU selbst nimmt Kredite auf, ihre Mitgliedsstaaten haften dafür. Auf den Kapitalmärkten werden diese EU-Bonds reißenden Absatz finden, wobei am Ende der größte Teil bei der EZB landen wird.

        Wofür Geld da ist, ist eine politische Frage. Deutsche Rentner, Steuerzahler oder gar Kinder haben für Frau Merkel offensichtlich keinen hohen Stellenwert.

      • „Uns kümmert es.“

        Ja. Aber wir sind eine mikroskopische Minderheit.

  2. In den letzten Wochen und Monaten hat der US Dollar deutlich gegenüber dem Euro an Wert verloren. Wie gehen wir als Euro-Kritiker in der politischen Diskussion damit um?
    Generell würde ich mich wieder über einen einordnenden Beitrag dazu freuen, was den Stärken/Schwächenvergleich der großen Wirtschafts- und Währungsräume angeht. – Und: Gold erlebt ja gerade ein Rekordhoch.

    • Gold steigt wie andere Vermögenswerte. Nullzinsen und steigende Geldmenge bleiben nicht ohne Wirkung, nur das offizielle Konsumgüterpreisniveau bewegt sich weniger. Dabei darf man wegen Corona-Maßnahmen vieles gar nicht mehr konsumieren, was eigentlich prohibitiv hohen Preisen entspricht.

      In den USA gibt es doch ähnliche Ideen zur geldpolitischen Lockerung, die auch Donald Trump befürwortet. Außerdem wird ein Währungskonflikt in der Regel über Abwertungen geführt, die sich so wechselseitig verstärken können.

  3. Pingback: EU-Kommission fordert weitere 66 Milliarden Euro vorneweg von Deutschland | Alexander Dilger

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