Die CDU hat heute ihren Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm mit dem Titel „In Freiheit leben: Deutschland sicher in die Zukunft führen“ vorgestellt. Das aktuelle Grundsatzprogramm stammt noch aus dem Jahr 2007. Es entspricht leider dem Demokratieverständnis und der Diskussionskultur der CDU, dass der aktuelle Entwurf bislang nicht veröffentlicht wurde (jedenfalls nicht von der CDU selbst, aber auch sonst konnte ich ihn nicht online finden). Es gibt jedoch zahlreiche Medienberichte, z. B. „Das sind die Pläne der CDU für Deutschland „. Darunter sind gute Vorschläge:
Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll nach dem Entwurf in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. „Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren.“ Mit sicheren Drittstaaten solle eine umfassende vertragliche Vereinbarung geschlossen werden.
Das ist genau der Ansatz, den ich auch vertrete. Jeder Asylberechtigte und noch weitergehend jeder ernsthaft Schutzbedürftige sollte Asyl bzw. Schutz bekommen an einem sicheren Ort, den er sich aber nicht selbst aussuchen darf. Ein liberaler Rechtsstaat schiebt niemanden dorthin ab, wo ihm Tod oder Folter drohen, aber kein Staat muss alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, sichere Drittstaaten zu finden, die zur Aufnahme bereit sind. Doch da andere Staaten das besser und günstiger können, lässt sich eine für alle Seiten vorteilhafte Lösung finden.
Der Entwurf sieht vor, dass nach der erfolgreichen Einrichtung des Drittstaatenkonzepts „eine Koalition der Willigen innerhalb der EU jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland aufnimmt und auf die Koalitionäre verteilt“. Mit einem Kontingent würde es eine Obergrenze für den Zuzug geben – eine konkrete Zahl dafür nennt die CDU jedoch nicht.
Diese Idee ist weniger gut. Wenn die sicheren Drittstaaten wirklich sicher sind, muss von dort niemand mehr nach Deutschland geholt werden. Die Einwanderung nach Deutschland sollte nach anderen Kriterien erfolgen. Wer das Asylrecht missbraucht oder gar Straftaten begeht, sollte davon jedoch definitiv ausgeschlossen werden.
„Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen.“ Dazu gehörten die Achtung der Würde jedes Menschen, der Grund- und Menschenrechte, des Rechtsstaats, des Respekts und der Toleranz „sowie die Anerkennung des Existenzrechts Israels. „Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden.“
Linke lehnen das ab, dabei sollte es selbstverständlich sein. Bei der Leitkultur geht es nicht um kulturelle Besonderheiten Deutschlands, sondern die genannten Selbstverständlichkeiten. Wer z. B. den Rechtsstaat ablehnt, sollte nicht in ihn aufgenommen werden.
Der Kampf gelte denen, die Hass und Gewalt schürten und eine islamistische Ordnung anstrebten. „Die Scharia gehört nicht zu Deutschland.“ Im Entwurf heißt es: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Die CDU grenzt sich damit auch von einem Satz des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) ab, der 2010 gesagt hatte: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“
Auch das ist eigentlich selbstverständlich, wird aber von Linken einschließlich Merkel-Anhängern in der CDU negiert.
Der Entwurf sieht ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle Schulabgänger auf Grundlage einer einheitlichen Regelung vor. Dies sei „eine große Chance, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken“.
Nein, das ist völlig illiberal, ineffizient und grundgesetzwidrig.
Wenn die Rente finanzierbar gehalten werden solle, „spricht viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss, und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird“.
Das ist grundsätzlich richtig, aber politisch heikel. Genosse Scholz ist vermutlich auch deswegen Bundeskanzler geworden, weil er sichere Renten bei einem nicht weiter steigenden Renteneintrittsalter versprach, auch wenn das schon jetzt den Bundeshaushalt verfassungswidrig macht und bald selbst ohne Schuldenbremse nicht mehr zu finanzieren sein wird.
Wer nach dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters freiwillig weiterarbeiten wolle, solle sein Gehalt bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei bekommen. […] Wer mehr arbeiten wolle als bisher, solle dazu attraktive Rahmenbedingungen vorfinden. „Deshalb wollen wir Überstunden bei Vollzeitbeschäftigung steuerfrei stellen.“
Das ist nicht sinnvoll. Die Steuern und Abgaben sollten für alle Arbeitenden gesenkt werden, statt Arbeit im Rentenalter und Überstunden zu privilegieren und anzureizen.
Solide Finanzen seien ein Gebot der Generationengerechtigkeit – „die Garantie dafür ist die Schuldenbremse“. Schattenhaushalte wie schuldenfinanzierte Sondervermögen würden grundsätzlich abgelehnt, da sie die Einhaltung der Prinzipien der Haushaltswahrheit und -klarheit erschwerten. Schuldenfinanzierte Sondervermögen „dürfen nur in äußersten Ausnahmefällen eingerichtet und später nicht für andere Zwecke umgewidmet werden“.
Das ist richtig, allerdings hat die CDU in der Vergangenheit selbst dagegen verstoßen und Herrn Scholz dagegen verstoßen lassen.
Statt mit Kohle wolle man in der nächsten Dekade mit Gaskraftwerken die bisher fehlende Möglichkeit der langfristigen Speicherung der erneuerbaren Energien und die erforderlichen Grundlasten sichern. Die CDU betont: „Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten.“
Das Bekenntnis zur Kernkraft kommt zu spät, ist aber richtig. Die Gasversorgung ist ohne direkten Bezug aus Russland schwieriger, teurer und auch umweltbelastender geworden. Es wäre sinnvoll, mehr Gasförderung in Deutschland zuzulassen.
Die CDU sei für eine geschlechtergerechte Sprache, „aber gegen Gender-Zwang“. Die CDU wolle, dass „in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine grammatikalisch falsche Gender-Sprache verwendet wird“.
Auch das ist richtig, aber mit Grünen und SPD lässt sich dieses Grundsatzprogramm kaum verwirklichen. Die FDP, die vor genau 75 Jahren gegründet wurde, ist wegen ihrer Abkehr vom Liberalismus inzwischen zu schwach oder kommt nach zwei weiteren Ampel-Jahren gar nicht mehr in den Bundestag. Deshalb sollte die Union überlegen, ob ihre Grundsätze nicht doch wichtig genug sind, um mit dem Teil der AfD zusammenzuarbeiten, der diese Grundsätze teilt und entsprechend nicht rechtsextrem ist.