Bundestagswahl muss in einem Fünftel von Berlin wiederholt werden

Das Bundesverfassungsgericht hat heute, knapp 27 Monate nach der Wahl, geurteilt: „Die Bundestagswahl muss in 455 von 2.256 Wahlbezirken des Landes Berlin wiederholt werden“. Die zeitgleiche Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus musste komplett wiederholt werden, wie der Berliner Verfassungsgerichtshof bereits letztes Jahr entschied (siehe ‚Ungültige Berlin-Wahlen müssen wiederholt werden‘). So weit wollte das Bundesverfassungsgericht nicht gehen und lehnte einen entsprechenden Antrag der AfD mangels hinreichender Begründung ab (siehe „Unzulässige Wahlprüfungsbeschwerde der AfD-Bundestagsfraktion gegen die Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin“).

Trotz des offensichtlichen Interessenskonfliktes ist der Bundestag selbst für die Prüfung seiner Wahl zuständig. Die Regierungsmehrheit wollte die Wahl in 431 der 2.256 Wahlbezirke in Berlin wiederholen lassen. Das Bundesverfassungsgericht rügt, dass der Bundestag für diese Entscheidung nicht die Niederschriften der einzelnen Wahlbezirke geprüft hat. Dies wurde vom Gericht nachgeholt und es entdeckte in 31 weiteren Wahlbezirken hinreichend gravierende Mängel, um die Wahl dort für ungültig zu erklären und wiederholen zu lassen. Umgekehrt waren in 7 Wahlbezirken die Mängel nicht gravierend genug, was zur neuen Zahl von 455 Wahlbezirken führt, in denen die Wahl wiederholt werden muss, was zu einer Änderung der Mandatsverteilung (gegebenenfalls auch für Ausgleichsmandate in anderen Bundesländern) führen kann.

Trotzdem sind die Folgen begrenzt vom „Urteil zur Wahlwiederholung in Berlin: Linke kann Direktmandate nicht mehr verlieren“ und die Ampel-Koalition auch nicht ihre Regierungsmehrheit, obgleich sie bei der Wiederholungswahl abgestraft werden dürfte. Das Urteil kommt spät und hätte umfassender ausfallen können, aber es ist hinreichend begründet und präzisiert auch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße demokratische Wahl, die von der damaligen rot-rot-grünen Landesregierung in Berlin sträflich verletzt wurden, was in dieser Form und diesem Ausmaß noch nie vorkam in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Tim Lochner wird erster Oberbürgermeister für die AfD

Die „AfD stellt erstmals einen Oberbürgermeister“, nämlich Tim Lochner im sächsischen Pirna. Robert ‚Sesselmann w[urde] erster Landrat der AfD‘ bundesweit im Juni in Thüringen. Nun kommt der erste Oberbürgermeister hinzu, wobei dem parteilosen Kandidaten der AfD, der früher in der CDU war, 38,5 Prozent der Stimmen im zweiten Wahlgang genügten, weil es in Sachsen mehrere Gegenkandidaten bei der Stichwahl geben darf. Die CDU-Kandidatin Kathrin Dollinger-Knuth erhielt 31,4 Prozent der Stimmen und der Kandidat der Freien Wähler Ralf Thiele 30,1 Prozent. Im ersten Wahlgang vor drei Wochen (siehe hier) hatte bereits Herr Lochner vorne gelegen mit 32,9 Prozent gefolgt von Herrn Thiele mit 23,2 Prozent und Frau Dollinger-Knuth mit 20,3 Prozent. Der unabhängige Kandidat André Liebscher kam auf 13,7 Prozent und der gemeinsame Kandidat von SPD und Grünen Ralf Wätzig bekam nur 9,9 Prozent. Beide verzichteten auf eine Teilnahme am zweiten Wahlgang, bei dem SPD und Grüne unterstützten die CDU-Kandidatin unterstützten. Die Wahlbeteiligung lag im ersten Wahlgang bei 50,4 Prozent und im zweiten bei 53,8 Prozent.

Um den AfD-Kandidaten zu verhindern, hätten alle anderen Parteien zusammenarbeiten müssen. Aber es ist wohl die neue demokratische Realität, dass die AfD Wahlen gewinnen kann und die komplette Ausgrenzungsstrategie gescheitert ist. Es wäre besser, mit ihren gemäßigten Politikern zumindest punktuell zusammenzuarbeiten. Warum halten sich die Parteien z. B. nicht endlich an die Geschäftsordnung des Bundestages und wählen einen vernünftigen AfD-Abgeordneten zum Vizepräsidenten des Bundestages, was diesen und weitere Gemäßigte innerhalb der AfD stärken würde? Es macht auch keinen Sinn, auf eigene Kandidaten (wie z. B. Thomas Kemmerich von der FDP in Thüringen) und inhaltliche Anträge zu verzichten, nur weil sie auch von der AfD Stimmen bekommen könnten.

CDU entwirft ein bürgerliches Grundsatzprogramm

Die CDU hat heute ihren Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm mit dem Titel „In Freiheit leben: Deutschland sicher in die Zukunft führen“ vorgestellt. Das aktuelle Grundsatzprogramm stammt noch aus dem Jahr 2007. Es entspricht leider dem Demokratieverständnis und der Diskussionskultur der CDU, dass der aktuelle Entwurf bislang nicht veröffentlicht wurde (jedenfalls nicht von der CDU selbst, aber auch sonst konnte ich ihn nicht online finden). Es gibt jedoch zahlreiche Medienberichte, z. B. „Das sind die Pläne der CDU für Deutschland „. Darunter sind gute Vorschläge:

Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll nach dem Entwurf in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. „Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren.“ Mit sicheren Drittstaaten solle eine umfassende vertragliche Vereinbarung geschlossen werden.

Das ist genau der Ansatz, den ich auch vertrete. Jeder Asylberechtigte und noch weitergehend jeder ernsthaft Schutzbedürftige sollte Asyl bzw. Schutz bekommen an einem sicheren Ort, den er sich aber nicht selbst aussuchen darf. Ein liberaler Rechtsstaat schiebt niemanden dorthin ab, wo ihm Tod oder Folter drohen, aber kein Staat muss alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, sichere Drittstaaten zu finden, die zur Aufnahme bereit sind. Doch da andere Staaten das besser und günstiger können, lässt sich eine für alle Seiten vorteilhafte Lösung finden.

Der Entwurf sieht vor, dass nach der erfolgreichen Einrichtung des Drittstaatenkonzepts „eine Koalition der Willigen innerhalb der EU jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland aufnimmt und auf die Koalitionäre verteilt“. Mit einem Kontingent würde es eine Obergrenze für den Zuzug geben – eine konkrete Zahl dafür nennt die CDU jedoch nicht.

Diese Idee ist weniger gut. Wenn die sicheren Drittstaaten wirklich sicher sind, muss von dort niemand mehr nach Deutschland geholt werden. Die Einwanderung nach Deutschland sollte nach anderen Kriterien erfolgen. Wer das Asylrecht missbraucht oder gar Straftaten begeht, sollte davon jedoch definitiv ausgeschlossen werden.

„Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen.“ Dazu gehörten die Achtung der Würde jedes Menschen, der Grund- und Menschenrechte, des Rechtsstaats, des Respekts und der Toleranz „sowie die Anerkennung des Existenzrechts Israels. „Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden.“

Linke lehnen das ab, dabei sollte es selbstverständlich sein. Bei der Leitkultur geht es nicht um kulturelle Besonderheiten Deutschlands, sondern die genannten Selbstverständlichkeiten. Wer z. B. den Rechtsstaat ablehnt, sollte nicht in ihn aufgenommen werden.

Der Kampf gelte denen, die Hass und Gewalt schürten und eine islamistische Ordnung anstrebten. „Die Scharia gehört nicht zu Deutschland.“ Im Entwurf heißt es: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Die CDU grenzt sich damit auch von einem Satz des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) ab, der 2010 gesagt hatte: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“

Auch das ist eigentlich selbstverständlich, wird aber von Linken einschließlich Merkel-Anhängern in der CDU negiert.

Der Entwurf sieht ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle Schulabgänger auf Grundlage einer einheitlichen Regelung vor. Dies sei „eine große Chance, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken“.

Nein, das ist völlig illiberal, ineffizient und grundgesetzwidrig.

Wenn die Rente finanzierbar gehalten werden solle, „spricht viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss, und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird“.

Das ist grundsätzlich richtig, aber politisch heikel. Genosse Scholz ist vermutlich auch deswegen Bundeskanzler geworden, weil er sichere Renten bei einem nicht weiter steigenden Renteneintrittsalter versprach, auch wenn das schon jetzt den Bundeshaushalt verfassungswidrig macht und bald selbst ohne Schuldenbremse nicht mehr zu finanzieren sein wird.

Wer nach dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters freiwillig weiterarbeiten wolle, solle sein Gehalt bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei bekommen. […] Wer mehr arbeiten wolle als bisher, solle dazu attraktive Rahmenbedingungen vorfinden. „Deshalb wollen wir Überstunden bei Vollzeitbeschäftigung steuerfrei stellen.“

Das ist nicht sinnvoll. Die Steuern und Abgaben sollten für alle Arbeitenden gesenkt werden, statt Arbeit im Rentenalter und Überstunden zu privilegieren und anzureizen.

Solide Finanzen seien ein Gebot der Generationengerechtigkeit – „die Garantie dafür ist die Schuldenbremse“. Schattenhaushalte wie schuldenfinanzierte Sondervermögen würden grundsätzlich abgelehnt, da sie die Einhaltung der Prinzipien der Haushaltswahrheit und -klarheit erschwerten. Schuldenfinanzierte Sondervermögen „dürfen nur in äußersten Ausnahmefällen eingerichtet und später nicht für andere Zwecke umgewidmet werden“.

Das ist richtig, allerdings hat die CDU in der Vergangenheit selbst dagegen verstoßen und Herrn Scholz dagegen verstoßen lassen.

Statt mit Kohle wolle man in der nächsten Dekade mit Gaskraftwerken die bisher fehlende Möglichkeit der langfristigen Speicherung der erneuerbaren Energien und die erforderlichen Grundlasten sichern. Die CDU betont: „Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten.“

Das Bekenntnis zur Kernkraft kommt zu spät, ist aber richtig. Die Gasversorgung ist ohne direkten Bezug aus Russland schwieriger, teurer und auch umweltbelastender geworden. Es wäre sinnvoll, mehr Gasförderung in Deutschland zuzulassen.

Die CDU sei für eine geschlechtergerechte Sprache, „aber gegen Gender-Zwang“. Die CDU wolle, dass „in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine grammatikalisch falsche Gender-Sprache verwendet wird“.

Auch das ist richtig, aber mit Grünen und SPD lässt sich dieses Grundsatzprogramm kaum verwirklichen. Die FDP, die vor genau 75 Jahren gegründet wurde, ist wegen ihrer Abkehr vom Liberalismus inzwischen zu schwach oder kommt nach zwei weiteren Ampel-Jahren gar nicht mehr in den Bundestag. Deshalb sollte die Union überlegen, ob ihre Grundsätze nicht doch wichtig genug sind, um mit dem Teil der AfD zusammenzuarbeiten, der diese Grundsätze teilt und entsprechend nicht rechtsextrem ist.

Länder streiten über Asylrechtsreform und einigen sich mit dem Kanzler auf Planungsbeschleunigung

Die Ministerpräsidenten der „Länder lassen Scholz mehr als drei Stunden warten“, weil sie untereinander zerstritten sind beim Thema Asyl. Im Vorfeld war erwartet worden, dass die Länder sich schnell einig sind, dass sie mehr Geld vom Bund wollen, der ihnen immer mehr Asylbewerber, andere Flüchtlinge und Zuwanderer zumutet. Die Ministerpräsidenten der Union brachten jedoch interessanterweise mit dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann von Baden-Württemberg neue Reformvorschläge zum Asylrecht ein wie Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU, die Einstufung von mehr sicheren Herkunftsländern, das Ende von freiwilligen Aufnahmeprogrammen wie aus Afghanistan sowie mehr Grenzkontrollen. Noch weiter gingen Michael Kretschmer und Markus Söder. Sie sehen die „‚Politische Stabilität gefährdet‘: Bayern und Sachsen mit Knallhartforderungen beim Thema Asyl“ wie eine Grundgesetzänderung zur Beschränkung des individuellen Asylrechts und die Einführung einer Obergrenze.

Die Ministerpräsidenten der SPD zusammen mit Bodo Ramelow aus Thüringen von Die Linke lehnen das alles ab. ‚Tausende Islamisten demonstrieren für Kalifat in Deutschland‘, was für diese Parteien als Weckruf noch nicht reicht. Schließlich einigte man sich auf Protokollnotizen, also faktisch ein Vertagen der strittigen Forderungen. Immerhin war man sich einig, den Familiennachzug begrenzen zu wollen und Bezahlkarten statt Bargeld für Asylbewerber einzuführen. Damit konnte man dann verspätet zum Bundeskanzler, wo ein ganz anderes Ergebnis verkündet wurde: „Bund und Länder einigen sich auf Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung“. Viel wichtiger ist jedoch eine wirksame Begrenzung der bislang unkontrollierten Migration auch und gerade von Antisemiten. Wenn das gelingt, wird auch die AfD wieder an Zuspruch verlieren; wenn es nicht gelingt, ist das weitere Wachstum der AfD noch das kleinere Problem für unsere Demokratie, den Rechtsstaat und die Sicherheit der Bürger, die immer konkreter von gewaltbereiten Islamisten bedroht werden.

Wagenknecht verlässt Die Linke und kündigt Parteigründung an

‚Die Linke will Wagenknecht und damit die eigene Bundestagspräsenz loswerden‘. Heute hat sie ihren Willen bekommen. Sahra „Wagenknecht tritt mit neun Getreuen offiziell aus Linkspartei aus – und verkündet neue Partei“. Der jüngst gegründete Verein Bündnis Sahra Wagenknecht soll die eigentliche Parteigründung vorbereiten, die für Anfang 2024 geplant ist. Diese Partei soll nächstes Jahr bei der EU-Wahl und den drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg antreten mit sehr guten Chancen bei den Wählern.

Dafür dürfte die umbenannte SED politisch bedeutungslos werden, was ich begrüße. Die Linke hat heute die Fraktionsstärke im Bundestag mit eigenen Parteimitgliedern verloren, wobei Frau Wagenknecht das vergiftete Angebote machte, noch in der Fraktion zu verbleiben, damit nicht gleich alle Fraktionsmitarbeiter entlassen werden müssen. Petra Pau will auch Bundestagsvizepräsidentin bleiben, selbst wenn es ihre Fraktion nicht mehr gibt, während der AfD der ihr zustehende Sitz im Bundestagspräsidium verweigert wird (siehe ‚Bundesverfassungsgericht schafft Vertretung aller Fraktionen im Bundestagspräsidium ab‘).

Ideologisch ist Sahra Wagenknecht eine traditionelle Linke und damit der alten SED der DDR viel näher als die mit der SED rechtsidentische Die Linke, die inzwischen woke ist, linke Identitätspolitik betreibt und den Grünen nacheifert, weshalb die Wähler entweder gleich die Grünen wählen oder sich ganz abwenden. Auch die Russland-Begeisterung passt zur alten SED und die Abschottung sowie Diskriminierung von Ausländern zur DDR. Viele Wähler finden das attraktiv, worunter nicht nur Die Linke, sondern auch AfD und SPD leiden dürften. Im günstigsten Fall zerstört Frau Wagenknecht neben ihrer bisherigen Partei auch die Ampel-Koalition und schwächt die AfD, ohne selbst wirklich Fuß fassen zu können. Im ungünstigsten Fall wird eine sehr linke Partei sehr stark und koaliert entweder mit der AfD oder zwingt die übrigen Parteien in eine Koalition mit ihr, um die AfD nicht an die Regierung zu lassen.

Bayerisches Landtagswahlergebnis 2023

Die ‚CDU gewinnt in Hessen, CSU verliert und gewinnt in Bayern zugleich, Ampel-Parteien verlieren überall‘ letzten Sonntag. Die berichteten Ergebnisse von Hessen haben sich bestätigt. Für Bayern hatte ich noch keine Zahlen und auch zu meiner qualitativen Einschätzung gab es zwischenzeitlich noch Änderungen, weshalb ich nun über das vorläufige Ergebnis berichte.

Bei den in Bayern relevanten Gesamtstimmen (Summe der Erst- und Zweitstimmen) hat die CSU 0,2 Prozentpunkte weniger als 2018 und kommt jetzt auf 37,0 Prozent. Interessanterweise hat die CSU jedoch entgegen meiner ersten Einschätzung keine Stimmen verloren, sondern sogar einige gewonnen, doch wegen etwas höherer Wahlbeteiligung (um 1,1 Prozentpunkte auf 73,3 Prozent) den leicht geringeren Stimmenanteil. Zweitstärkste Partei ist zum Glück doch nicht die AfD, sondern die Freien Wähler legen um 4,2 Prozentpunkte auf 15,8 Prozent zu. Die AfD legt am stärksten zu, nämlich um 4,4 Prozentpunkte auf 14,6 Prozent. Es folgen die Grünen, die 3,2 Prozentpunkte verlieren und damit auf 14,4 Prozent kommen. Die SPD verliert 1,3 Prozentpunkte auf 8,4 Prozent.

Die FDP verliert 2,1 Prozentpunkte und fliegt mit 3,0 Prozent aus dem Landtag. Die Linke verliert 1,8 Prozentpunkte und hat nur noch 1,5 Prozent. Die ÖDP legt um 0,2 Prozentpunkte auf 1,8 Prozent zu. Die Bayernpartei verliert 0,8 Prozentpunkte und schafft damit doch kein Prozent, sondern nur 0,9 Prozent wie dieBasis aus dem Stand. Eine Fortsetzung der Koalition von CSU und Freien Wähler bleibt am wahrscheinlichsten.

CDU gewinnt in Hessen, CSU verliert und gewinnt in Bayern zugleich, Ampel-Parteien verlieren überall

Heute fanden die Landtagswahlen in Bayern und Hessen statt. Ich beginne mit Hessen, wo schon 6886 von 6889 Wahlbezirken ausgezählt wurden (siehe Landesergebnis). Der große Wahlgewinner ist die CDU mit Ministerpräsident Boris Rhein, der erst letztes Jahr das Amt von Volker Bouffier übernahm. Die CDU gewann 7,6 Prozentpunkte hinzu im Vergleich zu 2018 und kommt jetzt auf 34,6 Prozent. Eine Regierungsbildung ist ohne sie faktisch nicht möglich, weil die AfD, mit der niemand koalieren mag, 5,3 Prozentpunkte hinzugewann auf 18,4 Prozent, womit sie zweitstärkste Kraft im Landtag wird. Denn die Grünen verlieren 5,0 Prozentpunkte auf 14,8 Prozent, doch Herr Rhein wird vermutlich die schwarz-grüne Koalition fortsetzen wollen. Die SPD bleibt drittstärkste Kraft, obwohl sie auch 4,7 Prozentpunkte verliert auf 15,1 Prozent. Frau Nancy Faeser kann damit nicht Ministerpräsidentin werden und eigentlich auch nicht länger Bundesinnenministerin bleiben. Die meisten Wähler lehnen sie und die Ampel-Koalition ab. Entsprechend verliert auch die FDP 2,5 Prozentpunkte, bleibt aber mit 5,0 Prozent ganz knapp im Landtag. Die Linke verliert 3,2 Prozentpunkte auf nur noch 3,1 Prozent, womit sie aus dem Landtag fliegt. Die Freien Wähler schaffen es nicht in den Landtag, da sie zwar um 0,5 Prozentpunkte zulegen, damit aber nur auf 3,5 Prozent kommen. Von den sonstigen Parteien kommt wieder nur eine über ein Prozent, nämlich die Tierschutzpartei, die um 0,5 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent zulegt.

In Bayern wurden noch nicht genug Stimmkreise ausgezählt, so dass ich über die Prozentergebnis in den nächsten Tagen noch einmal genauer berichten werden. Aber qualitativ ist das Ergebnis klar. Die CSU hat unter Markus Söder nochmals Stimmen verloren und damit wieder das schlechteste Landtagswahlergebnis seit 1950 erzielt. Trotzdem hat sie mit Abstand die meisten Stimmen, so dass Herr Söder seine Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen kann. Diese legten zu, bleiben jedoch nur drittstärkste Kraft. Die Grünen verlieren deutlich und rutschen damit vom zweiten auf den vierten Platz, weil die AfD am meisten zulegt und nun den zweiten Platz erzielt. Die SPD verliert weiter und bleibt einstellig, die FDP fliegt erwartungsgemäß aus dem Landtag. Auch Die Linke verliert und wird jetzt sogar von der ÖDP überholt. Die Bayernpartei erreicht trotz Verlusten noch ein Prozent, alle sonstigen Parteien liegen darunter. Insgesamt wurde die Ampel-Koalition im Bund in beiden Ländern abgestraft, wovon die CDU in Hessen und die AfD in beiden Ländern profitieren konnte, während die Freien Wähler in Bayern durch den Skandal der Süddeutschen Zeitung (siehe ‚Süddeutsche Zeitung wirft Aiwanger vor, als Minderjähriger Flugblatt seines Bruders verfasst zu haben‘) zulegten.

Neue Partei von Markus Krall angekündigt

Markus Krall plant eine „Neue Partei: Bestseller-Autor will alles aufmischen – ‚CDU auf 10 Prozent halbieren'“. Mit Fotos von sich und Hans-Georg Maaßen, in dessen WerteUnion er bislang parteiloses Mitglied ist, hat Herr Krall auf X, bislang Twitter, unmissverständlich erklärt : „Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Wir werden die #NeuePartei der Mitte gründen und wir werden antreten. Wir wollen und wir werden Deutschland verändern.“

Einerseits begrüße ich neue Parteien als neue Optionen und Angebote, die man wählen kann, aber nicht muss. Andererseits demonstriert auch diese geplante Gründung die Schwierigkeiten, die große Lücke zwischen Union und AfD tatsächlich zu füllen. Herr Krall übertreibt nicht nur die Größe dieser Lücke, wenn er alle deutschen Nichtwähler, die er mit 45 Prozent angibt (bei den letzten Bundestagswahlen lag die Wahlbeteiligung bei über 76 Prozent), in dieser Lücke verordnet. Vor allem will er explizit mit der AfD koalieren und arbeitet keinerlei Unterschiede zu ihr heraus. Früher hat er die AfD explizit unterstützt und stand sogenannten Reichsbürgern nahe. Warum sollte dann jemand seine neue Partei wählen, der nicht ohnehin schon die AfD wählt und dann auch dabei bleiben kann? Andere Parteien einschließlich CDU und CSU, die nicht mit der AfD koalieren wollen, werden nicht einfach deshalb ihre Meinung ändern, weil demnächst auch noch Herr Krall mit dabei sein könnte.

Der umgekehrte Weg einer strikten Brandmauer gegen die AfD funktioniert allerdings auch nicht, insbesondere wenn bürgerliche Parteien deshalb meinen, lieber mit der umbenannten SED zusammenarbeiten und auf eigene Positionen verzichten zu müssen. Das ‚Interesse an [einer seriösen liberalen] Wählervereinigung zur Europawahl[]‘ ist offensichtlich nicht groß genug. Da zieht ein Crash-Prophet mehr Aufmerksamkeit auf sich, auf wenn nach seinen Vorhersagen der Euro schon längst Geschichte sein müsste. Deshalb muss man vielleicht doch noch auf einen Kurswechsel in der Union hoffen oder auch in der AfD, die relativ leicht wieder bürgerlich und sogar koalitionsfähig werden könnte, indem sie endlich Björn Höcke und seine nationalen Sozialisten rauswirft.

AfD stimmt Steuersenkungsantrag der CDU in Thüringen zu

Es war der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich ‚Merz erst für, dann gegen kommunale Zusammenarbeit mit der AfD‘. Gestern war er dann wieder sogar auf Landesebene für einen solchen „Tabubruch: CDU beschließt mit AfD Steuersenkung in Thüringen“. Dabei stimmten AfD und FDP einem Antrag der CDU zu, den allerdings die AfD schon einmal vor Jahren selbst gestellt hatte. Inhaltlich ist dieser Antrag in keiner Weise rechtsextrem oder auch nur problematisch, sondern in der Richtung richtig, nur nicht weitgehend genug. Thüringen hat mit 6,5 Prozent eine im Bundesvergleich besonders hohe Grunderwerbsteuer. Diese wird nun mit Unterstützung der AfD auf 5 Prozent gesenkt. Besser wäre eine stärkere Senkung und am besten eine völlig Abschaffung dieser besonders ineffizienten und unfairen Steuer, die Konzerne und auch reiche Privatleute leicht umgehen können, während sich für normale Familien der Aufwand einer Umgehung z. B. durch Gründung einer Kapitalgesellschaft nicht lohnt.

Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung war jedoch zu keinen Zugeständnissen bereit, sondern wollte hier bewusst Familien schaden, die Steuer nicht senken und eine Niederlage riskieren, um dann laut über die angebliche Zusammenarbeit von CDU und FDP mit der AfD schimpfen zu können. Dabei haben die Heuchler von Linke, SPD und Grüne sich selbst schon von der AfD unterstützen lassen (siehe z. B. „‚Volle Freude‘ bei der AfD“). Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD meinte auch (im Interview mit Thüringer Allgemeine, hier frei zugänglich) zu eigenen Anträgen, denen die AfD zustimmt und zur Mehrheit verhilft: „Das ist doch keine Zusammenarbeit.“

Das könnte die CDU jetzt natürlich wiederholen und damit die Minderheitsregierung unter dem Linken Bodo Ramelow vorführen, die sie selbst erst ermöglichte (siehe ‚Sozialist wird durch CDU wieder Thüringens Ministerpräsident‘) nach Sturz eines liberalen Ministerpräsidenten (siehe ‚Lindner gegen liberalen Ministerpräsidenten‘ und ‚Bundesverfassungsgericht kritisiert Merkel für Äußerungen gegen Wahl eines Liberalen in Thüringen‘). Auch die ‚Versprochene Neuwahl in Thüringen f[iel] einfach aus‘ und jetzt hat man den Salat, der nach der Landtagswahl nächstes Jahr allerdings noch größer werden könnte.

The Economist stellt fest: „The EU’s liberals need better ways to deal with populists“. Die Strategie der völligen Ausgrenzung ist gescheitert. Es ist unsinnig, nur wegen der AfD und ihrer möglichen Zustimmung auf eigene Positionen und Personen zu verzichten. Wenn CDU und FDP deshalb linke und grüne Politik machen oder zumindest durchwinken, macht das die AfD stärker statt schwächer. Die AfD wird tatsächlich schwächer, wenn die anderen Parteien besser regieren und die Interessen von vielen Wählern nicht einfach ignorieren oder sogar moralisch abkanzeln. Um besser zu regieren oder auch bessere Oppositionspolitik zu betreiben, sollten bürgerliche Parteien nicht die oft untauglichen Vorschläge der AfD (oder von Linken und Grünen) umsetzen, aber zu den wichtigen Probleme eigene gute Lösungsvorschläge präsentieren. Wenn die linken Parteien oder auch die AfD diesen Vorschlägen dann ebenfalls zustimmen, ist es umso besser.

Wahl-O-Mat Hessen 2023

Der „Wahl-O-Mat Hessen 2023“ ist online. Dies ist meine Übereinstimmung mit den Antworten der 21 antretenden Parteien (wie üblich ohne Gewichtung):

AfD 84,2 %
ABG (Aktion Bürger für Gerechtigkeit) 73,7 %
dieBasis 71,1 %
Die Neue Mitte 71,1 %
FDP 71,1 %
Freie Wähler 65,8 %
CDU 61,8 %
Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung 57,9 %
Piraten 52,6 %
PdH (Partei der Humanisten) 51,3 %
APPD (Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands) 48,7 %
ÖDP 48,7 %
SPD 46,1 %
Grüne 40,8 %
V-Partei³ 40,8 %
DKP 39,5 %
Klimaliste Wählerliste 39,5 %
Die PARTEI 32,9 %
Volt 31,6 %
Die Linke 25 %
Tierschutzpartei 23,7 %

Die Übereinstimmung ist relativ hoch. Wenn die AfD noch eine normale Partei wäre oder wie vor zehn Jahren, würde ich sie wählen bzw. zur Wahl empfehlen. Das ist allerdings nicht mehr der Fall und ihre recht vernünftigen Antworten sind nicht glaubhaft. Sie kann und will sich nicht mehr von führenden Rechtsextremisten in ihren Reihen abgrenzen und ist weder koalitions- noch regierungsfähig, was das bürgerliche Lager schwächt und die Grünen stärkt. ABG, dieBasis und Die Neue Mitte haben keine hinreichende Chance auf Überwindung der zweifelhaften Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP verrät ihre Prinzipien und vor allem die Bürger in der Ampel-Koalition im Bund. Nur wenn sie morgen wider Erwarten gegen das Heizungs(verbots)gesetz stimmen sollte, würde ich sie aktuell unterstützen wollen.

Damit bleiben die Freien Wähler, die gerade nach der Schmutzkampagne gegen Hubert Aiwanger eine Chance verdient haben und bei einer weiteren Ausdehnung ein ernsthaftes zusätzliches Angebot darstellen können. Wenn sie in den Landtag in Hessen einziehen, könnten sie außerdem eine Fortsetzung der schwarz-grünen Landesregierung verhindern.