Grundsteuer muss reformiert werden

Erwartungsgemäß hat das Bundesverfassungsgericht heute geurteilt, dass die „Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig“ sind. Es ist mit dem Gleichheitsgrundsatz von Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass in an den alten Bundesländern Einheitswerte von 1964 zur Bemessung der Steuer herangezogen werden (und in den neuen Bundesländern sogar von 1935, obwohl darüber nicht explizit geurteilt wurde). Dass diese Werte heute allgemein zu niedrig sind, ist unproblematisch, zumal dies durch den Steuerhebesatz ausgeglichen werden könnte. Aber die Werte können sich seither sehr unterschiedlich entwickelt haben, so dass zwei heute sehr unterschiedlich wertvolle Grundstücke gleich und zwei inzwischen gleich wertvolle Grundstücke völlig verschieden besteuert werden.

Das Gesetz muss bis Ende 2019 reformiert werden, während zur Neubewertung der Grundstücke noch bis 2024 Zeit ist. Dabei sieht das geltende Grundsteuergesetz bereits regelmäßige Neubewertungen vor, die nur nie erfolgt sind. Eine große Gefahr besteht darin, dass die aufgetragene Reform zu einer starken Erhöhung des Steueraufkommens genutzt wird, auch wenn von politischer Seite jetzt das Gegenteil beteuert wird. Kommt es hingegen zu keiner Gesetzesreform und Neubewertung, dann darf spätestens 2025 die Grundsteuer nicht mehr erhoben werden.

Aus meiner Sicht wäre es übrigens sinnvoll, wenn auch unwahrscheinlich, zukünftig nur noch den Bodenwert zu besteuern und nicht den Wert von Immobilien darauf, da die Besteuerung von Immobilien eine besondere Form der Vermögensteuer ist mit allen damit verbundenen Nachteilen und außerdem einer Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Vermögensklassen. Boden ist hingegen ein eigenständiger Produktionsfaktor mit anderen Eigenschaften als Kapital. Boden muss nicht angespart werden, sondern ist einfach vorhanden. Ökonomisch gesehen wirft er deshalb eine Rente und keinen Zins ab, so dass die Wirkungen einer Steuer andere bzw. harmlosere sind.

11 Gedanken zu „Grundsteuer muss reformiert werden

  1. Dass die Grundsteuer neu berechnet werden muss, ist einsichtig. Beschwichtigen aus der Politik wollen uns glauben machen, dass eine Reform aufkommensneutral passieren soll. Ich werde erst daran glauben, wenn ich nachgerechnet habe! 🙂

  2. An dem Urteil ist enttäuschend, dass die Grundsteuer nicht bis zu einer Neuregelung ausgesetzt wurde. Ebenfalls ist ungewöhnlich, dass Hinweise auf eine verfassungsgemäße Regelung fehlen, die sonst gerne als Kommentar einem Urteil angefügt werden.
    Der Gesetzgeber hat somit freie Hand, die er wohl in seinem Sinne nutzen wird. In den interessanten Ballungsgebieten wird es sicher zu einem Anstieg der Grundsteuerbelastung kommen, die der Vermieter wegen der „Sozialverträglichkeit“ nicht mehr ganz oder auch gar nicht auf den Mieter umlegen kann.
    Dieses Urteil kann also der „schwarze Schwan“ für die Immobilienpreissteigerung in Ballungsgebieten sein, und damit die private Wohnbautätigkeit zum Erliegen bringen. Aus Sicht des Privatinvestors lohnt sich eine Immobilie ohnehin nur über die Wertsteigerung.

    • Das BVerfG will die Gemeindehaushalte nicht ins Chaos stürzen.
      Es ging hier um Beseitigung der derzeitigen systembedingten Ungleichbehandlung.
      Hinweise auf eine verfassungskonforme alternative Lösung fehlen, weil – wie hier ganz richtig ausgeführt- neben der Gemeindefinanzierung ordnungspolitische Zielsetzungen in der Besteuerung denkbar sind, die individuelle Ungleichbehandlung erlauben (z.B. der indirekte Bauzwang).
      Die Beschränkung auf die Besteuerung von Bodenwerten halte ich nicht für sinnvoll.
      Das Baurecht und die Grundstücksbeschaffenheit setzen der Bodennutzung Grenzen, die einzelfallbezogen von den Bodenrichtwerten nicht abgebildet werden. Ich halte eine Besteuerung auf der Grundlage Grundstücks bezogener Bodenwerte in Verbindung mit Nutzungskapazitäten (Mietflächen, Eigennutzung zu Mietpreisen) – analog zu den Vorschlägen des DIW – für relativ schnell umsetzbar. Die Mietflächen würden einen Rückschluss auf die Nutzung der gemeindlichen Einrichtungen erlauben (aber gleichwohl die Nutzungsintensität außer acht lassen).

      • Lage und Bebauungsrechte würden doch in den Bodenwert einfließen und damit die Steuer beeinflussen. Die tatsächliche Bebauung ist hingegen eine davon unabhängige Investitionsentscheidung, die nicht durch Steuern beeinträchtigt werden sollte.

        Warum hat das Bundesverfassungsgericht nicht einfach angeordnet, dass das bestehende Grundsteuergesetz vollständig angewendet werden muss einschließlich der regelmäßigen Neubewertung? Allein deren Aussetzung führt zu der grundgesetzwidrigen Ungleichbehandlung. Nun muss jedoch das Gesetz zügig neu gefasst werden, während für die Neubewertung viel mehr Zeit gewährt wird. Ich verstehe dieses Gericht wirklich immer weniger.

      • Prof. Dilger: . . „Lage und Bebauungsrechte würden doch in den Bodenwert einfließen und damit die Steuer beeinflussen. Die tatsächliche Bebauung ist hingegen eine davon unabhängige Investitionsentscheidung, die nicht durch Steuern beeinträchtigt werden sollte. . . .“
        Ersteres ist unbestritten; meine Ausführungen beziehen sich auf die Notwendigkeit der Einzelfall-Bewertung. Zum zweiten Satz: Auch wenn ein früherer Versuch zum indirekten Bauzwang nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat, schließe ich eine derartige Zielsetzung nicht aus.
        Wenn Sie unter „vollständiger Anwendung des Grundsteuergesetzes“ die Aktualisierung der Einheitswerte und der Steuermessbeträge verstehen, ist dies eine Aufgabe von einem Jahrzehnt mit einem erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Es bietet sich daher eine pauschalisierende Vorgehensweise an, um die Fristenvorgabe nicht zu reißen und die Gemeindefinanzierung in Gefahr zu bringen.

      • Für meinen Geschmack haben Gerichte zu viel Macht. Sie sind doch nicht demokratisch vom Volk gewählt. Gerichte sollen in einem Rechtsstaat Gesetze anwenden, NICHT deren Inhalte vorgeben! Wieso können sie dem Gesetzgeber vorschreiben, welche Gesetze er zu ändern hat? Wo ist hier das Volk noch der Souverän???

  3. Am Ende werden die –sich langweilenden– Apparatschiks und Schreibtischtäter die Steuern erhöhen um es besser weltweit zu verteilen!
    Und die Bürger werden von wahren Problemen abgelenkt, haben wieder ein Streitthema, Gerechtigkeit, eine „tolle Verbesserung“ ! Gibt es etwas in Deutschland was man nicht zu verändern braucht, was man in Ruhe lassen kann?

  4. Herr Dilger, ich finde es nicht sinnvoll, nur den Bodenwert zu besteuern. Das würde die Tendenz stärken, verstärkt in die Höhe zu bauen in noch höherem Maße, wie es heute in Städten schon praktiziert wird, aber aus anderen Gründen.

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