Ist die Euroretterei grundgesetzwidrig?

Heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht u. a. über den ESM und die Staatsanleihenkäufe der EZB. Selbst (oder gerade) als juristischer Laie erkennt man hier schwere Vertrags-, Gesetzes- und sogar Verfassungbrüche. Der frühere Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio meint deshalb: „Notfalls ist Deutschland zum Euro-Austritt verpflichtet“. Das wäre schön, doch vermutlich werden die gegenwärtigen Bundesverfassungsrichter kein solches Urteil fällen.

Denn erstens werden sie sich kaum in Fundamentalopposition zum Bundestag begeben, sondern lieber einmal mehr seine Rechte gegen dessen eigene Entscheidungen stärken. Wer eine andere Politik will, muss andere Parteien wählen, z. B. die Alternative für Deutschland, statt sich allein auf das Bundesverfassungsgericht zu verlassen, welches Schiedsrichter statt Partei im Parteienstreit sein soll. Zweitens enthält das Grundgesetz selbst eine Ambivalenz hinsichtlich Europa, insbesondere in Artikel 23, der in dieser Form übrigens erst 1992 geschaffen und 2009 zuletzt geändert wurde. Die Vereinigung Europas ist nicht grundgesetzwidrig, sondern durchaus mit diesem vereinbar (oder sogar geboten), allerdings nur unter Beachtung wesentlicher Bedingungen wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Subsidiarität, die zunehmend verletzt werden. Eigentlich brauchen wir eine Grundsatzentscheidung, wie es mit Deutschland und Europa weitergehen soll. Die Bundestagswahl kann nur ein Zwischenschritt zu einem Volksentscheid darüber sein.

10 Gedanken zu „Ist die Euroretterei grundgesetzwidrig?

    • Wieso ist der Vertrag von Maastricht unsinnig? Wäre er eingehalten worden, hätten wir die momentanen Probleme nicht. Und nur weil jemand als erster bei Rot über die Ampel fährt, ist es trotzdem nicht erlaubt. Im übrigen zahlt und haftet nur Deutschland, die anderen Verkehrssünder nicht. Es wird Zeit, dass diese Politposse namens Euro in den Lokus der Geschichte getreten wird. Zum Wohle der europäischen Staaten. Auch Deutschlands.

  1. Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass das Bundesverfassungsgericht Verletzungen europäischen Rechts am Grundgesetz messen und beanstanden wird. Da mir als Bürger auf europäischer Ebene keinerlei Rechte zustehen, ist das Gericht meine einzige – juristische-Hoffnung. Gottseidank gibt es die-politische-Alternative!

  2. Zählt Fehlinformation des Bundestages als Rechtsbruch?

    Wurde der Bundestag falsch informiert???

    Quellen:

    Merkel:http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Regierungserklaerung/2010/2010-05-05-merkel-erklaerung-griechenland.html

    “ Alle vier müssen erfüllt sein; keine einzige dieser vier Voraussetzungen ist entbehrlich. Die Analysen des IWF, der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Union lassen keinen Zweifel zu: Alle vier Voraussetzungen sind jetzt erfüllt. Sie sind die Grundlage unserer Entscheidungen in dieser Woche, und sie markieren politisch wie rechtlich ihren Rahmen.“

    Lagarde: http://www.capital.de/meinungen-newsbeitrag/die-schoenrechner-von-griechenland.html

    Christine Lagarde, die damalige Finanzministerin Frankreichs und heutige Chefin des IWF, hat die Lage in einem Interview kürzlich wie folgt beschrieben: Damals seien zwar nicht alle Kriterien für IWF-Kredite erfüllt gewesen – aber es habe eben einen „schreienden Bedarf“ an Finanzhilfe gegeben.

    • Das dürfte eher politisch als rechtlich relevant sein: Es wurde die ganze Zeit nachweislich die Unwahrheit erzählt. Warum sollte das jetzt plötzlich anders sein? Viele in Deutschland denken, dass es uns doch gar nicht so schlecht geht und es immer so weiter gehen könne. Das ist nicht der Fall. Bis zur Wahl wird uns allerhand erzählt, was danach alles keinen Bestand mehr haben wird.

  3. Eine Volksabstimmung birgt angesichts des medialen Kräfteverhältnisses große Gefahren. Derzeit akzeptiert eine stabile Mehrheit den Euro und wählte stets die Parteien des „Weiter so“, auch hinsichtlich der „Euro-Rettung“. Ich empfehle also die Minderheiten-Position zu stärken. Ein „finaler Akt“ in Form einer derartigen Abstimmung, könnte als eine nicht mehr zu reparierende Niederlage enden.

    • Und mir schwant , wir werden dabei hilfreich zur Seite stehen .
      Unser “ Personal “ wird es schon richten .

  4. 1) @ alternativlos-war-gestern: Ich bin, wie Sie, ein scharfer Gegner der Griechenland-Rettung. [Die habe ich übrigens schon mehr als 1 Jahr vor ihrem tatsächlichen Eintritt „bekämpft“ (http://beltwild.blogspot.de/2009/02/lasst-klingklax-sich-klaglos-beklauen.html). Die Debatte über die „Notwendigkeit“ einer „Rettung“ der Süd-Länder ist nämlich (erstaunlicher Weise) schon sehr viel älter!]
    ABER: Wenn Rettung, dann ist mir die Einbeziehung des IWF (selbst dann, wenn dieser seine eigenen Regeln beugt) immer noch lieber, als diese unsägliche Politmauschelei der Euro-Länder untereinander (nach dem Motto: „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“).
    Ganz abgesehen davon, dass der IWF allemal schärfere Auflagen durchsetzt als der Eurozonen-Sumpf, geht es aber auch ums Geld: Jeder Euro, den ein anderer bezahlt, ist ein Gewinn für uns. (Im IWF steckt zwar auch Geld von uns, aber anteilmäßig werden wir dadurch doch weit weniger belastet, als bei innereuropäischen Kreditgewährungen.)
    Die IWF-Einbeziehung hat Angela Merkel gegen Wolfgang Schäuble durchgesetzt (Schäuble hat seinen Widerstand dagegen – begründet mit dem dummen Stolz „Wir wollen keine fremde Einmischung in Europa – rückblickend selber als Fehler bezeichnet). Und das sehe ich durchaus positiv. Man muss diesen Umstand nicht unbedingt den Wählern unter die Nase reiben; aber wir selber sollten uns schon einen realistischen Blick bewahren.

    2) In einer ausführlichen Analyse der sog. „ESM“-Eilentscheidung des BVerfG vom 12.09.2012 (http://beltwild.blogspot.de/2012/09/verfassungsgericht-verscheiert.html; kürzer auch hier: http://beltwild.blogspot.de/2012/09/der-heuwagen-des-euro-wird-von.html) habe ich seinerzeit darauf hingewiesen, dass der eigentliche Kern des Rechtsstreites NICHT die Zulassung des ESM betrifft.
    Das ist nur eine sekundäre Frage; der juristische und logische Knackpunkt war, dass das BVerfG die Zustimmung Deutschlands zur Einfügung des neuen Art. 136 Abs. 3 AEUV nicht gestoppt hat. Und das, obwohl das Gericht den Art. 125 Abs. 1 selber ausdrücklich als BailoutVERBOT versteht. Wir haben damit einen inneren Widerspruch im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union:
    – Art. 125 I enthält ein Bailoutverbot (welches außerdem vom VerfG bislang immer als zentrale Bedingung für Deutschlands Beitritt zur bzw. Verbleib in der Währungszone benannt wurde!),
    – Art 136 III lässt Bailouts zu.
    Eine Begründung dafür,
    a) einen derartigen Widerspruch zuzulassen und
    b) eine Vertragsklausel (dazu noch mit einer ausgesprochen perfiden Rechtstechnik, eben unter Inkaufnahme eines Selbstwiderspruchs im Vertragstext) auszuhebeln, welche das BVerfG in früheren Entscheidungen sozusagen „heiliggesprochen“ hatte,
    enthält die Eilentscheidung nicht. Dort ist lediglich von einer Weiterentwicklung des Vertrages zu einer nebulösen „Stabilitätsgemeinschaft“ die Rede, was ich als bewusste Täuschung des deutschen Volkes ansehe. (Bei „Stabilität“ sollen die Leser an Kaufkraftstabilität denken; tatsächlich geht es bei der Euretterei aber nur um eine geographische Eurozonenstabilität!)
    Von einem Gericht, welches das eigene Volk mit solchen verbalen Tricks täuscht, ist Gerechtigkeit, oder auch nur ein konsequentes Festhalten an der eigenen Linie, nicht zu erwarten.
    Mit seiner Eilentscheidung hat sich das BVerfG bis auf die Knochen kompromittiert. Bei der EZB-Entscheidung (die aber ohnehin die EZB in keiner Weise bindet) wird es diesen Weg der Rechtsbeugung fortsetzen.

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